
Das ist der erste, aber bestimmt nicht der letzte
GLÜXMOMENT
Glüxfall
Verschlungener Pfad der Liebe
Im fernen China erwacht eine Frau aus ihrer Schockstarre und ihr wird erst nach ein paar Tagen bewusst, was passiert ist, was sie erlebt hat. Der Schock, dass sie verschleppt wurde, zurück ins Reich der Mitte, sitzt ihr in den Knochen. Dazu die Pandemie und die Gewissheit, dass ihr Erlebnis im Schwarzen Wald einmalig war. Schwanger ist sie auch noch.
Mailin ist seit jeher strukturiert und logisch. Von diesen Lappalien lässt sie sich weder so leicht aus der Bahn werfen, noch aus der Ruhe bringen. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet eben zum Berg gehen. Doch der Mann aus dem fernen Deutschland hat sie verändert. Wird sie über dem Erwachen ihrer Erotik Hendrik vergessen, oder will sie ihn wiederfinden?
Neben ihm, der über allen anderen steht, gibt es weitere wichtige Männer für sie. Ihr Gynäkologe, ein Künstler. Ihr Lehrer mit gelben Fingern, sowie ein frierender Eskimo. Und dann ist da Jahzen, der ganz unverhohlen nur auf ihre Brüste schielt. Das ist alternativlose Liebe.
Männer! You can't live with them, you can't shoot them.
»Und so kam es, dass an einem sonnigen Wintertag im Februar in Tsingtao, China eine Wissenschaftlerin und Mathematikgenie mit einer entblößten Brust auf einer Bank am Straßenrand saß und ein kleines Baby anlächelte, bis ihr die Backen wehtaten.«
Leseproben
[…]
Diesen Flirt hatte sogar sie bemerkt, was keineswegs selbstverständlich war. Vor ihrem Schwarzwaldurlaub hätte sie das kaum getan. Mailin flogen die Dinge nicht zu. So wie bei allen anderen. Sie musste sich alles mühsam erarbeiten, es lernen. Die Sprache der Gefühle beherrschte sie genauso wenig wie Deutsch. Ihr Autismus machte es Mailin schwer bis unmöglich, in anderen Leuten lesen zu können. Die Blindheit für die Emotionen anderer war kein böser Wille von ihr. Sie war da. Und machte ihr das Leben schwer. Zu zweit, in kleinen Gruppen, selbst in der Familie und ihrem Umfeld. Umgekehrt genauso. Aus Mailin zu lesen, war eine Herausforderung. Wobei die meisten sich nicht einmal Mühe gaben. Sie hielten die Frau für speziell, wenn sie ihr wohlgesinnt waren. Und für beschränkt, wenn nicht. Sie dachte nach. Fast wie ein Teenager, fünfzehn Jahre zu spät.
Was hatte dieser Mann heute während der Pressekonferenz und beim Fototermin danach gemacht und warum? Warum hatte sie er sie ständig angesehen? Er war doch Fotograf! Müsste er nicht alle Leute ansehen und Bilder machen? Warum scharwenzelte er um sie herum? Weil er sie sympathisch fand und um ihre Aufmerksamkeit buhlte? Er hätte sie doch ansprechen können! Sie war doch gemeint, oder? Mailin hatte sich mehrfach umgesehen, ob jemand hinter ihr war, den er meinen konnte. Doch da war niemand. Langsam sickerte zu ihr durch, was offensichtlich war. Fünfzehn Jahre zu spät fühlte sie sich endlich wie eine Fünfzehnjährige. Was macht ein Teenager in solch einem Moment? Sie spricht darüber mit der besten Freundin. In ihrem Fall war das Shenmi. Sie würde sie später anrufen.
Jetzt musste sie erst einmal die Interviews hinter sich bringen. Doch ihr Chef war nervöser als Mailin. Diese Fernsehleute hatten die penetrante Art, ihre Fragen aufzuteilen. Männer bekamen die Fragen mit den technischen Details. Frauen, sofern vorhanden, bekamen die Fragen, bei denen es menschelte. Seinetwegen war er nicht besorgt, er wusste genug von der Materie. Er konnte die komplizierten Sachverhalte so ausdrücken, dass jeder Arbeiter sie verstand. Aber Mailin? Sie war so menschlich wie R2-D2. Sie hätte die Blaupause für Hal 9000 im Endstadium gewesen sein können. Ihm graute vor dem Gesicht des Interviewers, wenn Mailin seine erste Frage beantwortete. Falls sie überhaupt antwortete. Wurde es heute nicht so schlimm? Seine Mitarbeiterin wirkte auf ihn anders als sonst.
Dass sie zu spät kam, war noch nie dagewesen. Und die bei ihr übliche Aura der kompetenten, optisch unscheinbaren Wissenschaftlerin war verschwunden. Er wäre nicht so weit gegangen sie schön zu nennen. Dennoch war sie, und das fiel nicht nur ihm auf, eine andere Person als sonst. Eine andere Frau. Hatte sie einen gefunden, der sie durchbumste, bis ihr Hören und Sehen verging? So lange sie ihre Arbeit machte, konnte sie sich gerne auch von Godzilla nageln lassen. Oder Kim Jong Un. Er musste nur dafür sorgen, dass sein Laden lief. Und das tat er, unter anderem dank ihr. Hinterher fand er, dass das Interview hätte schlimmer laufen können. Zum Beispiel hätte jemand im Hintergrund vorbeilaufen und in die Pflanzen pissen können. Viel schlimmer nicht. Wobei er Mailin in Schutz nehmen musste. Diesmal war nicht sie schuld, dass es katastrophal verlief. Die Journalistin war dilettantisch und unvorbereitet. Sie versuchte, ihren Mangel an Kompetenz dadurch auszugleichen, dass sie mehr Bein zeigte. Sie war garantiert eingesprungen, eine Notlösung, Plan C. Höchstens. Die Fragen an ihn fand er schon inakzeptabel, aber Mailin! Als ob sich die beiden vorher auf der Damentoilette geprügelt hätten.
[…]